Dass der Grad der Digitalisierung ein harter Standortfaktor ist, bestreitet heute niemand mehr und wurde auch in vielen Städten und Gemeinden längst realisiert. Entsprechend fieberhaft wird in den Kommunen – und darüber hinaus auf übergeordneter Ebene im Kreis, im Land und im Bund – daran gearbeitet, für die notwendige Infrastruktur zu sorgen oder diese auszubauen.
Anders hingegen sieht es beim „Internet der Dinge“ (Internet of Things, Kurzform: IoT) aus. Der Mehrheit ist noch nicht bewusst, was hinter IoT überhaupt steckt und dass damit verbunden ein Paradigmenwechsel einhergehen wird, der einen tiefgreifenden, vielleicht sogar umwälzenden Einfluss auf unserer Zukunft haben wird.
Doch nur diejenigen, die sich diesen Zukunftsthemen widmen, die rechtzeitig die Möglichkeiten erkennen, die damit einhergehen und die verstehen, dass es besser ist, den Paradigmenwechsel aktiv mitzugestalten als hinterher über dessen Folgen zu klagen – nur diejenigen werden bestehen können und erfolgreich sein. Dies gilt im privaten und im unternehmerischen Bereich. Dies gilt erst recht auf dem kommunalen Sektor. Je „smarter“ eine Stadt ist, desto attraktiver wird sie als Standort für andere Akteure. Für die Bürger, aber auch für Unternehmen, Wirtschaft und Handel. Das hat die Stadt Herrenberg im Allgemeinen und hat das Amt für Technik, Umwelt, Grün im Speziellen frühzeitig erkannt und ebenso frühzeitig damit begonnen, mittels vieler kleiner Bausteine die „Smart City Herrenberg“ aufzubauen.
Papierloser Sitzungsdienst
Für den Herrenberger Gemeinderat und die begleitenden Fachausschüsse beispielsweise hat man schon im Jahr 2015 projekthaft den papierlosen Sitzungsdienst eingeführt und erprobt. Die Mitglieder des Gremiums wurden mit portablen Tablet-PCs ausgestattet. Über ein Ratsinformationssystem stehen ihnen die elektronischen Sitzungsunterlagen zur Verfügung, rückwirkend können sie zudem Vorlagen und Protokolle recherchieren. Diese Möglichkeiten stehen – zumindest wenn es sich um öffentlich behandelte Themen handelt – über die städtische Homepage auch allen Bürgern zur Verfügung.
Während man bislang Doppelstrukturen vorhielt – die Sitzungsunterlagen wurden sowohl digital wie auch in Papierform bereitgestellt – wird mit der Kommunalwahl 2019 der Sitzungsdienst komplett digitalisiert. Die Einladungen zu den Sitzungen und Beratungen, die dazu gehörenden Drucksachen und Anlagen sind nur noch in elektronischer Form abrufbar. Die digitale Ratsarbeit ermöglicht zugleich Suchfunktionen, die flexible Verfügbarkeit und Handhabung und bedeutet zugleich eine Verwaltungsprozessoptimierung. Als logische Konsequenz werden seit dem Jahresbeginn 2019 auch die Abstimmungsrunden zwischen den einzelnen Dezernaten zur Erarbeitung einer Drucksache ausschließlich digital geführt.
Digitaler Schadensmelder & Ideen
Im Frühjahr 2018 wurde unter Federführung des Amts für Technik, Umwelt, Grün (TUG) der stadtweite Prozess eines digitalen Mängel- und Ideenmelder aufgesetzt (Der direkte Draht in die Stadtverwaltung). Bürger können über Smartphone oder via Internet ihre Anregungen und Ideen der Verwaltung zukommen lassen. Einfach, bequem, digital, direkt. Denn einmal geöffnet, wird der Nutzer Schritt für Schritt durch das Programm geleitet. Er hat die Möglichkeit, ein zur Meldung passendes Foto einzustellen – der zuständige Mitarbeiter kann sich also ein klares Bild vom gemeldeten Schaden oder der eingebrachten Idee machen. Neben den Angaben zur Idee/zu Ort und Art des Schadens kann der Nutzer durch die Eingabe der Adresse oder durch das Setzen eines Markers auf der Stadtkarte den genauen Standort eingeben. Verschickt er die Meldung via Smartphone, kann er die passenden GPS-Daten gleich anhängen. Durch die Auswahl der passenden Schadensart wird die Meldung direkt dem richtigen Fachamt zugewiesen, zudem können die Meldungen somit in einer Datenbank verfasst, jederzeit ausgewertet und der Bürgerservice der Stadt Herrenberg damit stetig verbessert werden.
Der digitale Schadensmelder trägt einerseits dazu bei, dass innerhalb der Stadtverwaltung Prozesse klar definiert sind, vereinheitlicht und vereinfacht werden. Andererseits wird er von den Mitarbeitern des TUG als Kommunikationsplattform genutzt. Über ihn halten beispielsweise die für die Stadtreinigung verantwortlichen Mitarbeiter Kontakt mit der neu gegründeten Bürgergruppe „Aktiv gegen Müll“. Dabei handelt es sich um Ehrenamtliche, die in ihrer Freizeit, beim Spaziergang über die Herrenberger Gemarkung (mit und ohne Hund), gemeinsam oder alleine wilden Müll einsammeln. Auf Anregung der städtischen Mitarbeiter nimmt die Bürgergruppe über den Mängelmelder Kontakt mit ihnen auf, meldet eben mit Foto und GPS-Daten digital den Standort, an dem sie ihre gesammelten „Schätze“ abgestellt haben. Mülltüten, -säcke und sperrige Gegenstände können also gezielt und zeitnah abgeholt werden. Zugleich ist gesichert, dass der „richtige“ Müll abgeholt wird und nicht versehentlich das verbotene Müll-Entsorgen der so genannten „Müllrowdys“ unterstützt wird.
MÄHlanie
Ein weiterer Baustein von „Smart Herrenberg“ ist MÄHlanie. Seit Sommer 2017 sorgt der Mähroboter dafür, dass der Rasen des 7 500 qm großen Fußballplatzes im Herrenberger Stadion immer die optimale Spiellänge hat – und dass die Mitarbeiter des TUG sich anderen, fachlich hochwertigeren Arbeiten widmen können, als dem Rasenmähen. MÄHlanie ist gespickt mit Sensoren, die die Lenkung steuern und verhindern, dass sie mit Gegenständen kollidiert. Die Sensoren verhindern zudem, im Zusammenspiel mit einem Kontaktkabel rund um das Spielfeld, dass sie das Rasenfeld verlässt.
Dass die „fleißigste Mitarbeiterin des TUGs“, zu dem ein lokaler Fernsehsender den Mähroboter scherzhaft gekürt hat, überhaupt in Herrenberg seine Runden dreht, geht ebenfalls auf einen Vorschlag aus den eigenen Reihen zurück. Im Wissen um den Einsatz solch selbstfahrender Rasenmäher in Privatgärten recherchierte der Stadionwart und stieß auf die professionellen Mähroboter, die in den Fußballstadien in München und in Gelsenkirchen zum Einsatz kommen. MÄHlanie war gefunden – und wurde angeschafft. Ein einfaches aber eindrucksvolles Beispiel dafür, dass technischer Fortschrift und Digitalisierung die tägliche Arbeit erleichtern kann und trotzdem nicht zum Job-Killer wird. Was schon mehrfach theoretisch angesprochen wurde, kann hier nun an einem ganz konkreten Beispiel festgemacht werden: Vor MÄHlanie mussten die beiden für das Stadion zuständigen Mitarbeiter drei Mal in der Woche das Rasenspielfeld mähen. Stunden, die sie zuvor wenig sinnhaft auf dem Aufsitzrasenmäher verbrachten. Stunden, in denen sie jetzt fachlich anspruchsvollere Arbeiten übernehmen können. Was einerseits der Stadt und somit den Herrenberger Bürgern zugutekommt, was andererseits aber auch ganz entscheidend zu einer höheren Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter beiträgt.
Der Testlauf verlief mehr als erfolgreich – für das Jahr 2019 ist die Anschaffung eines zweiten Mähroboters geplant. Denn auch andere Mitarbeiter des TUG haben erkannt, welche Chancen und Freiräume sich durch MÄHlanie auftun/ergeben.
Weitere digitale Prozesse und Service-Angebote
Im Jahr 2018 wurde der Bestellprozess für die beiden Herrenberger Geschirrmobile digitalisiert – Privatpersonen, Vereine und Organisationen können ihre Anfragen und Reservierungen nun per Internet direkt eingeben. Für die zuständigen Mitarbeiter ist das Einbuchen um ein Vielfaches einfacher. Per Mail wird die Buchungsbestätigung samt den obligatorischen Nutzungsbestimmungen an den Besteller geschickt. Auf einfache und doch direkte Art kann Kontakt aufgenommen und gehalten werden, der papierlose Bürgerdienst konnte somit weiter ausgebaut werden – eine Entwicklung, die im Jahr 2019 weiter vorangebracht wird. In Vorbereitung ist eine Plattform, auf der auch alle anderen Verleihgegenstände der Stadt Herrenberg, die vom Amt für Technik, Umwelt, Grün verantwortet werden, abgebildet sind und über die diese ausgeliehen werden können.
Über das Mitmachportal auf der städtischen Homepage können Bürger auf digitale Art und Weise Informationen zu laufenden und auch zu erfolgreich umgesetzten städtischen Projekten einholen. Mehr noch: Das Portal bietet ihnen die Möglichkeit für Beteiligung und Engagement. Die Bürger haben hier die Chance, mitzudiskutieren, mitzuwirken und ihre Ideen einzubringen. Auf niederschwellige, flexible und zeitunabhängige Art und Weise. Gleichzeitig ist das Mitmachstadtportal eine Plattform für die Herrenberger Vereine. Sie können sich hier selbst vorstellen, können Veranstaltungen in einen Kalender eintragen und somit bewerben, können über eine Mitmachbörse Helfer für anstehende Projekte und Aktionen finden.
Kontinuierlich ausgebaut wird der digitale Bürgerservice der Herrenberger Stadtbibliothek (Stabi). Nachdem die Recherche, das Vormerken von Medien und die Verlängerung der Ausleihfrist schon seit vielen Jahren zum Standard der städtischen Einrichtung gehören, wird seit Herbst 2018 und in Kooperation mit der Stadtkasse ein Online-Bezahl-Service angeboten – und von den Lesern sehr gut angenommen. Die Jahresgebühr oder Mahngebühren können nun online über das Kundenkonto im Online-Katalog der Stadtbibliothek mit den gängigen Bezahlmöglichkeiten wie Kreditkarte und Sofort-Überweisung bezahlt werden. Mit einem Klick können die Gebühren also entrichtete, der Leseausweis verlängert, sofort bezahlt und damit die Nutzung aller digitalen Angebote der Stabi auf denkbar unkomplizierte Weise (wieder) freigeschalten werden.
Über viele Ämter der Stadtverwaltung verteilt wurden und werden in schönster Regelmäßigkeit digitale Prozesse angestoßen oder digitale Anwendungen projekthaft getestet, dauerhaft implementiert und weiter entwickelt. Beispielhaft sind hier nur noch das Service-Büro-Bauen und die Integration der digitalen Sprachassistentin auf der städtischen Homepage genannt. Für letztgenanntes Projekt wurde die Stadt als „Futur-Community“ ausgezeichnet und durch das Förderprogramm „Städte und Gemeinden 4.0“ des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration des Landes Baden-Württemberg unterstützt. Ziel ist, dass die Bürger künftig von der digitalen Sprachassistentin Antworten bekommen auf ihre Fragen zu Öffnungszeiten, Kontaktdaten und Ansprechpartnern und den notwendigen Unterlagen für städtische Dienstleistungen. Auch beim Service-Büro-Bauen ist der erste Namensteil Programm: Wie bei allen anderen Angeboten möchte man den Service für den Bürger bündeln und verbessern – und ganz nebenbei die Arbeitsprozesse für die städtischen Mitarbeiter erleichtern. Bauherren und Bauwillige können zukünftig Anträge auf digitalem Wege einreichen und damit Genehmigungsverfahren anstoßen.
Alle Schritte, die das TUG und die Stadtverwaltung hin zu einer „Smart City Herrenberg“ unternehmen, alle vorgestellten Innovationen haben eine Zielrichtung: Es sollen Angebote geschaffen werden, die den Bürgern und den Mitarbeitern gleichermaßen mehr Komfort, mehr Gestaltungs- und Freiräume verschaffen und die garantieren, dass man mit den digitalen Fortschritten und Herausforderungen der Zukunft Schritt halten kann.