Dienstagmorgen, 8.30 Uhr.
Arbeitsstart für viele. Nicht so bei den Technischen Diensten. 16 Männer aus dem TDH-Team sind schon seit vier Stunden im Dienst. Ihre Aufgabe? Herrenberg verkehrssicher zu machen, bevor die Anderen in den Tag aufbrechen. Was für Manche profan klingt, ist ein nicht ungefährlicher Knochenjob, erfordert viele Vorüberlegungen und penible Planungen und sorgt trotz aller Sorgfalt immer wieder für eine Menge Frust. Über all das wollen wir in unserer heutigen TDH-Talkrunde sprechen.
Sybille Brockmüller – TDH-Verwaltung
Rolf Bühler – Hofdienst (*)
Siegfried Jauch – Hofdienst
Michael Kegreiß – Hofdienst
Caggiano Michele – Mitarbeiter aus dem Handräumtrupp
(*) Der Hofdienst ist die Einsatzzentrale, das organisatorische Herz des Winterdienstes. Rolf Bühler, Siegfried Jauch und Michael Kegreiß wechseln sich bei dieser Aufgabe ab.
Läuft heute bis jetzt alles nach Plan?
MiKe: Ja. Kaum Neuschnee heute Nacht. Aber es hat ziemlich gewindet. Das heißt, wir mussten heute besonders auf Verwehungen ein Auge haben. Und der Weck- und Beobachtungsdienst meldete streckenweise auch Glatteis. Also hieß es für die diensthabende Schicht wieder früh raus aus den Federn. Aber dafür waren wir auch heute wieder schon deutlich vor 7 Uhr durch mit den roten Straßen.
Rot signalisiert gefährlich und wichtig. Insgesamt gibt es drei Farb-Kategorien …
SiJa: Bei allem, was rot ist, sind wir gesetzlich zum Räumen und Streuen verpflichtet. Das sind die wichtigen UND gefährlichen Straßen. Dann folgt grün. Das sind alle Strecken, die als wichtig ODER als gefährlich eingestuft sind, wie zum Beispiel die Bismarckstraße, oder die Erhardtstraße. Die arbeiten wir aber erst ab, wenn alles, was rot ist, im grünen Bereich ist *lacht*. Und dann noch die weißen Strecken – da ist die Farbe Programm. Weiß bleibt weiß, das heißt Schnee und Eis bleiben liegen.
… was aber nicht alle Anlieger so toll finden …
SybB: Und so laufen alle Jahre wieder auch in diesem Winter wieder viele Beschwerden bei uns allen und vor allem bei mir ein. Die Bereitschaft zu klagen und sich zu beschweren hat in den letzten zehn, fünfzehn Jahren deutlich zugenommen. Und die wenigsten bringen Ihr Anliegen freundlich vor …
Die wenigsten sind freundlich – wie äußert sich das?
SybB: Viele Leute schreien förmlich ins Telefon, sind total aggressiv im Ton und in der Wortwahl. „SIE sind zuständig!!!“ Ein anderer Klassiker: „Wenn da was passiert, dann ist das allein IHRE Schuld!!!“ Die Frage „Warum wird bei dem geräumt und bei mir nicht?“ ist ja schon fast eine Charme-Offensive … also sofern der Tonfall stimmt, ist das einfach mal eine sachliche Frage. Und einer solchen Frage komme ich gerne nach.
„Bei dem wird geräumt, warum bei mir nicht auch“. Welche Gründe gibt es?
RoBü: Die Streu- und Räumrouten sind genau festgelegt. Rot – grün – weiß. Das ist glasklar geregelt, für jeden einzelnen Straßenzug. Dasselbe gilt für die Handstrecken. Da wird zum Beispiel die Bushaltstelle geräumt. Für die daran angrenzenden Strecken sind wir natürlich nicht zuständig. Zuständig sind wir hingegen entlang ALLER städtischen Gebäude, da müssen wir Wege und Zufahrten freimachen (also nicht nur Schulen und Kitas), das gehört klar zu unseren Aufgaben – und da spielt auch die Farbe rot / grün / weiß keine Rolle. Denn klar, bei städtischen Gebäuden ist die Stadt der Anlieger und hat dort ganz selbstverständlich der Räum- und Streupflicht nachzukommen, so wie alle privaten Anlieger auch.
Jeder möchte aber zuerst und am liebsten vor seiner eigenen Haustüre freihaben …
SiJa: Ja, viele sind gerne sich selbst am nächsten. Aber das geht noch weiter. Die Erwartungshaltung vieler ist: Alles hat überall rund um die Uhr TIPTOP zu sein. Freie Bahn, egal wo in der Stadt und egal wann. Hinzu kommen neue äußere Umstände: Die zeitlichen Ansprüche steigen immer weiter. Beispiel Ladenöffnungszeiten – wenn Supermärkte von 6 bis 22 Uhr offen haben. Oder Kitas – die machen schon morgens um 7 Uhr auf. Allgemein wächst die Mobilität immer weiter an, und viele Gebäude werden intensiver genutzt als früher. Diesen neuen Rahmenbedingungen, müssen wir uns stellen.
Da kommt viel zusammen. Aber manche Beschwerden sind bestimmt auch berechtigt.
MiKe: Klar, manchmal übersehen wir was, das kann schon mal vorkommen. Ist das tatsächlich so und die Beschwerde ist berechtigt, dann fahren wir auch gleich raus und arbeiten nach.
SybB: Das passiert aber eher selten. Jeder Bürger will halt am liebsten selbst entscheiden, was „richtig“ oder „rechtens“ ist, und im Zweifel natürlich zu seinem Gunsten. Einer sagt: „Schnee wegräumen!“ Der Andere sagt an derselben Stelle: „Schnee liegenlassen!“ Auch das kommt vor. Manchmal hab ich das Gefühl, einen Job als Schlichter zu haben. Ist oft echt schwierig, am Telefon ruhig zu bleiben, die Nerven zu behalten und nicht zurückzuschreien oder das Telefonat zu beenden.
Manche Anrufer scheinen zu glauben, die Räum- und Streurouten werden irgendwie ausgewürfelt.
RoBü: Noch schlimmer. Manche meinen, die und die Straße wird geräumt, weil hier der Gemeinderat wohnt, oder der Ortsvorsteher. Wir müssen uns wirklich unglaubliche Unterstellungen und Beleidigungen anhören.
CaMi: Dabei machen wir nur unsere Arbeit. Und die will ich und die wollen meine Kollegen so gut wie möglich machen.
SybB: Auch so ein Totschlagargument, das ich ständig höre: „Wenn DA jetzt ein Kind unters Auto kommt“ oder „wenn DA jetzt der Rettungswagen nicht durchkommt…“
Was antworten Sie denen?
MiKe: Dass 30 km/Std. auf glatten Straßen zu schnell ist. Angemessen fahren, und viele Gefahrensituationen entstehen gar nicht erst.
SiJa: Dass wir manche Straßen mit unserem Großfahrzeug nicht abfahren können, weil uns parkende Autos den Weg versperren. Die Fahrer finden dann eine Nachricht, oder besser eine dringende Bitte von uns an der Windschutzscheibe vor – bei vielen bringt es was, bei manchen stehen wir am nächsten Morgen wieder vor versperrter Straße. Jede Auffälligkeit wird von unseren Winterdienst-Fahrern übrigens genauestens dokumentiert. Überhaupt protokollieren wir jeden Winterdienst-Tag. So kann im Fall eines Unfalls alles ganz genau nachvollzogen werden. Die Dokumentation ist sehr wichtig! Da halten wir übrigens auch Beschwerden von unterwegs fest.
Jemand bittet einen Winterdienstler: „Ach jetzt sind Sie eh schon hier. Machen Sie die paar Meter doch bitte auch noch geschwind.“
CaMi: Das dürfen wir nicht. Wir haben da klare Regeln. Und das sagen wir den Leuten auch.
SiJa: Solche Sonderwünsche gehen nicht mal „kurz nebenbei“ und „geschwind“. Und jeden Tag auf`s Neue „noch geschwind“ – das geht schon gar nicht. Auf einer ganz normalen Tour auf dem Großfahrzeug kommen für den Fahrer locker 50, 60 Kilometer zusammen – jeder einzelne Kilometer ständig in Habachtstellung, mit hoher Konzentration, die parkenden Autos im Blick behaltend. Und bei anhaltendem Schneefall muss jede Strecke 3x abgefahren werden – da kommen zwischen 150 und 180 Kilometer zusammen…
RoBü: Räumen auf nicht gekennzeichneten Strecken ist außerdem untersagt. Ebenso das Räumen grün vor Rot. Wir haben da rechtliche Verpflichtungen einzuhalten.
Das klingt alles nach viel Planungsarbeit.
SiJa: … eine Planung mit vielen Variablen: Erstens die Flächenerhebung und der Zeitaufwand – wie viel Zeit benötigt ein Streckenabschnitt im Durchschnitt? Zweitens die Zeitkapazität – wie viele Stunden stehen mir mit meinen Leuten zur Verfügung? Drittens immer im Hinterkopf behalten, dass alle Planungen gesetzkonform laufen. Wie integriere ich viertens die externen Dienstleister reibungslos in die Planung? Dann haben wir seit dieser Saison zusätzliche Winterdienst-Arbeiten dazu genommen, die bisher beim Gebäudemanagement angesiedelt waren, wie zum Beispiel das Räumen rund um Schulen. Parallel dazu wurde unser Winterdienst-Team aufgestockt … Also mussten wir alle Pläne komplett überarbeiten, zum Teil ganz neu ausarbeiten.
Also ein rundum ausgeklügeltes System. Sehr wichtig zu erwähnen: Noch nie ist etwas Ernsthafteres passiert …
MiKe: … kein schlimmer Unfall, bei dem wir zur Rechenschaft gezogen wurden, Gott sei Dank. Zumindest nicht, seit ich dabei bin. (Schaut fragend in die Runde: Die Anderen schütteln ebenfalls den Kopf. Alle sind sich einig, dass zumindest die letzten ca. 10 Jahre nichts Gravierendes passiert ist). Allerdings hat die Bereitschaft zu klagen und sich zu beschweren massiv zugenommen.
RoBü: Und das macht keinem von uns Spaß! Die Leute sollen sich einfach mal überlegen, wie das ist: 16 Mann sind pro Schicht im Einsatz. Sie müssen sehr früh raus. Tragen selbst kein geringes Risiko, dass ihnen was zustößt, weil sie müssen sich auf den gefährlichen Straßen bewegen und sich der Gefahr der glatten Straßen aussetzen. Das geht schon los auf dem Weg zum Bauhof, also zur Arbeit, mit dem Privat-Pkw.
SiJa: Jeder gibt sein Bestes. Die Fahrer in den Großfahrzeugen brausen auch nicht einfach durch, wie ihnen immer wieder vorgeworfen wird. Sie bemühen sich, langsam zu fahren. Sie schütten auch nichts gedankenlos mit Schnee zu, schon gar keine Einfahrten. Nur irgendwo müssen sie den Schnee hinschieben, was vor allem bei Wendeplatten ein echtes Problem für die Winterdienstler ist.
MiKe: Für mich die „Krönung“ ist folgende Episode: Wir räumen den Schnee beiseite. Der Anlieger räumt den Schnee zurück auf die Straße. Das ist Straßenverkehrsgefährdung! Aber es kommt noch besser: Wir machen also die Straße bei der nächsten Tour wieder frei, danach dasselbe Spiel von vorne – die Straße wird vom Anlieger wieder zugeschüttet. Manche Leute schaffen den Schnee prompt mit der Schneefräse (!) wieder raus auf die Straße. Das hab ich mehr als einmal erlebt.
Eine Runde Schlussbemerkungen bitte …
SiJa: Ich freue mich, wie auch diesen Winter alles wieder super rundläuft, auch wenn die Außenwahrnehmung bei Manchen anders ist. Der Winterdienst klappt zeitlich und personell ganz wunderbar, die ganzen Planungen passen, eine echte Punktlandung! Und kein Mitarbeiter beschwert sich über seinen Dienst, man hört kein Murren. Jeder macht einfach.
CaMi: Hut ab vor dieser tollen Planung! Und wir wollen alle mithelfen und das Team unterstützen, wo es nur geht.
MiKe: Die Widi-Monate sind immer besonders spannende Monate. Jeder Tag ist anders, abwechslungsreich. Wenn alles „glatt“ läuft, macht es Spaß.
RoBü: Ich bin wirklich dankbar, dass jetzt zwei weitere Silos da sind (insgesamt = 4 Silos) und dass wir recht neue und gute Fahrzeuge haben. Unsere gute Ausstattung entspannt die Lage deutlich.
SybB: Ich bin froh, dass wir Kollegen alle so super zusammenhalten. Der Winterdienst betrifft uns alle und fordert uns. Jeder hilft jedem, und wir haben ein ganz tolles Zusammengehörigkeitsgefühl. Und außerdem ein dickes Lob an unsere schlagkräftige Werkstatt: Sie ist unser Therapiezentrum für alle größeren und kleineren Wehwehchen im Fuhrpark.