„Manchmal habe ich das Gefühl, die Leute erwarten, dass wir den Schnee mitnehmen.“
Guten Morgen Herr Keller! Eine ungewöhnliche Zeit für ein Interview.
Kann man wohl laut sagen. Wer sonst denkt um 4.30 Uhr in der Früh dran, Fragen zu beantworten.
Na ja, vielleicht hilft uns die Fragerei die nächsten Stunden dabei, nicht so sehr ans müde sein zu denken. Wie lange werden wir auf der Strecke sein?
3 bis 4 Stunden werden schon zusammen kommen, oft ist es auch länger. Das hängt davon ab, ob wir viel Schnee wegräumen müssen oder ob wir in der Hauptsache nur streuen.
Heute sieht es eher nur nach streuen aus.
Aber die Wetterprognose sagt eigentlich etwas anderes. Ich war auch etwas erstaunt, als ich vorhin aus dem Fenster schaute und keine einzige Schneeflocke weit und breit zu sehen war (in Gültstein). Trotzdem hat uns der Weckdienst aus den Betten geklingelt.
Und das sicher nicht ohne Grund.
Sicher nicht! Lacht. In Oberjesingen, sagt der Kollege, liegt eine geschlossene Schneedecke, und das Wetter zieht zu uns rüber Richtung Kernstadt. Und bestimmt ist es schon jetzt an der einen oder anderen Stelle glatt.
Weshalb Sie Order bekommen haben, Herrenberg abzufahren und „abzustreuen“.
So wie meine Kollegen auch. Wir teilen uns zu viert die Kernstadt auf, also vier Großfahrzeuge. Wenn wir dort die A-Strecken erledigt haben, geht es weiter in die Teilorte. In meinem Fall ist das die Ecke Gültstein, Kayh und Mönchberg.
Nicht alle wissen, was A-Straßen sind …
A-Straßen oder rote Straßen ist die Bezeichnung für die Straßen mit der höchsten Räum- und Streupriorität: Hauptstraßen, Busstrecken, besonders steile Straßen, dazu mindestens eine Straße pro Wohngebiet. Diese müssen bis spätestens 7 Uhr klar Schiff für die Autofahrer sein. Erst wenn wir das geschafft haben, fahren wir die B-Straßen ab – ein Service, zu dem wir übrigens gesetzlich nicht verpflichtet sind. Also die Marschrichtung ist klar: Die A-Straßen müssen zwischen 7 und 20 Uhr frei sein. Alles andere ist nachrangig.
…Wie wir gerade am eigenen Leib erleben. Mitten während der B-Straßen-Tour durch Gültstein müssen wir jetzt zurück nach Herrenberg fahren.
Gerade schneit es wie wild. Da bleibt uns nichts anderes übrig. Wir sind diese Unterbrechungen gewohnt. Aber natürlich wäre es uns allen lieber, wir könnten zuerst unsere komplette Tour zu Ende fahren, bevor wir wieder neu starten.
Der Winterdienst ist nichts für Weicheier …
Lacht Nein. Vor allem zwei Dinge finde ich hart. Einmal dieses frühe Aufstehen, das schlaucht mich, ich bin von Natur aus überhaupt kein Frühaufsteher. Und dann wissen wir nie genau, wann wir wieder ausrücken müssen. Wenn es dumm läuft, schieben wir 11 Stunden Dienst an einem einzigen Tag.
Wie zum Beispiel am zweiten Weihnachtsfeiertag letztes Jahr. Und die zweite Sache?
Die fehlende Wertschätzung. Eine ganze Reihe von Nörglern und Meckerern macht uns das Leben manchmal echt schwer. Da halten uns die Leute an und suchen den Streit. Warum schieben Sie den Schnee zu mir und nicht zum Nachbarn rüber? Warum räumen Sie die Parallelstraße, aber unsere Straße nicht? Sind so zwei typische Fragen. Das geht sogar hin bis zu beleidigenden Gesten.
Kaum zu glauben!
Aber leider wahr. Manchmal habe ich das Gefühl, die Leute erwarten, dass wir den Schnee mitnehmen. Was auch nervt, sind die Autos, die auf den kleineren Straßen so geparkt werden, dass wir mit unseren breiten Fahrzeugen fast nicht vorbeikommen
Und Ihre Zettel für die Windschutzscheiben mit der Bitte, bei Schnee und Eis woanders zu parken, nutzen auch nicht viel?
Die Zettel verteile ich nicht mehr. Ich habe keinen positiven Effekt gemerkt
Sie und Ihre Kollegen haben einen richtig harten Job. Gibt es auch schöne Momente?
Ja. Wenn uns manche Leute freundlich zuwinken, was vor allem in Mönchberg und in Kayh der Fall ist. Die Leute dort wissen zu schätzen, dass wir ihre steilen, vereisten, rutschigen Straßen verkehrssicher machen und zeigen uns das auch zwischendurch.
Wenn ich Richtung Kayher oder Mönchberger Sattel unterwegs bin, und es liegt richtig viel Schnee, die Sonne scheint, alles glitzert, die Landschaft ist wunderschön. Diese Moment genieße ich.
Und ich habe ein Gefühl von Zufriedenheit, wenn ich meinen Teil dazu beigetragen habe, dass die Straßen wieder gut befahrbar sind.
Martin Keller ist seit 8 Jahren Teil des Herrenberger Winterdienst-Teams. Wenn er sich nicht um Eis und Schnee kümmert, dann sorgt er zusammen mit seinem Kollegen Mario Dähne bei Herrenbergs Beschilderung für den richtigen Durchblick. Wen Not an Mann ist, fährt er die große Kehrmaschine. Ein richtiger Allrounder eben, wie alle bei den TDH.
Zum Thema erscheint auch ein Winterdienst-Report im Amtsblatt, und zwar in der Ausgabe am 12. Februar.