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Herrenbergs Stadtbäume – eine, nein ZWEI! Wissenschaften für sich

16. November 2017

Novemberzeit ist Baumpflanzzeit

In Herrenberg kommen in diesen Tagen 18 Jungbäume an ihren finalen Bestimmungsort. Ein guter Anlass, um mal einen Blick hinter die Baumkulissen zu werfen. Vermutlich wissen Sie, dass Baumkunde eine Wissenschaft für sich ist, der Fachbegriff lautet Dendrologie. Aber wussten Sie, dass man auch Baum-Management (Arboristik) studieren kann?

Jürgen Baumer, seines Zeichens Umweltbeauftragter, und Siegfried Jauch, unser Gartenbauamtsleiter, sind in beiden Richtungen stramm unterwegs. Beide kennen Herrenbergs Bäume so gut wie ihre eigene Westentasche: Der fachgerechte Umgang mit Bäumen, die Einbindung in Verkehrs- und Sicherheitskonzepte bis hin zur strategischen Ausrichtung, und dazwischen viele, viele, viele Bäume …. Man könnte locker einen eigenen Baum-Blog aufmachen, um das immense Fachwissen der zwei rund um Baumkunde und (Stadt)Baum-Management auch nur annähernd abzubilden!

Herrenbergs Stadtbäume: Wo überall stehen sie? Wie viele sind es?

J.B. Eigentlich stehen sie überall: An Straßen, Plätzen, Schulen, Kitas, Friedhöfen, an Gehwegen und Gewässern. Für die genaue Anzahl fragen Sie mich in einigen Monaten noch mal, denn aktuell erstellen wir ein städtisches Baumkataster. Ohne Waldfriedhof kommen wir irgendwo bei 6.000 bis 8.000 Bäumen raus.

Beispiele für einige typische Herrenberger Stadtbaumarten?

 J.B. Ahorn, Buche, Esche, Hainbuche, Linde, Platane, Robinie, Erle, Eiche, Vogel-, Mehlbeere, Ulme, Rotdorn, Kirsche, Zierapfel, Felsenbirne, Baumhasel sind die am Meisten gepflanzten Baumarten. Dazu kommen noch sogenannte Fremdländer wie Amberbaum, Ginkgo, Tulpenbaum, Götterbaum, Schnurbaum und andere mehr.

Ein sehr wichtiges Thema ist die Baumkontrolle. Warum ist sie so wichtig?

J.B. Nun, jeder einzelne Baum muss absolut sicher stehen, es darf keine Gefahr von ihm ausgehen. Wir arbeiten nach der sogenannten VTA-Methode (Visuell Tree Assessment). Das ist eine Methode, die die Statik der Bäume in ganz besonderer Weise in den Blick nimmt.

S.J. Entwickelt wurde die VTA-Methode von Professor Dr. Claus Mattheck, ansässig im Institut für Technologie in Karlsruhe, bei dem wir uns über die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen jedes Jahr in einem Zwei-Tages-Seminar gründlich informieren. Unabhängig von der Methodenwahl sollte jeder Baum zweimal im Jahr kontrolliert und die Ergebnisse dokumentiert werden – einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand.

Bei 7.000 Bäumen nicht gerade ein Pappenstiel … Was wird alles kontrolliert?

J.B. Die übliche Vorgehensweise besteht aus drei Schritten. Erstens die Sichtkontrolle auf das Baumumfeld, auf die Vitalität des Baumes und ob irgendwelche Schadensmerkmale zu sehen sind: Zum Beispiel trockene Kronenbereiche, Tot-Äste, Pilzbefall, mangende Wundheilung, Rindenrisse, Wulstbildung, um nur ein paar Merkmale zu nennen. Im zweiten Schritt werden die festgestellten Schäden bewertet. Bestehen dann Zweifel an der Stand-, Bruch- oder Verkehrssicherheit, werden in einem dritten Schritt weitere, eingehende Untersuchungen und Maßnahmen veranlasst. Die Maxime ist klar: Sicherheit geht IMMER vor. Bestehen Zweifel an der Sicherheit, muss der Baum zum Schutz der Bürger weichen.

Ist der Baum nicht mehr zu retten, wird er ersetzt durch einen neuen Baum. Klingt zunächst trivial, aber auch da ist eine Menge zu beachten …

S.J. Ja, das geht schon beim Kauf los, da gilt es einige Entscheidungen zu treffen: Die Setzlinge, die wir normalerweise einkaufen, sind schon gestandene Bäume, circa acht Jahre alt, die haben schon eine gewisse Größe und Stattlichkeit, mit einem Stammumfang von 18 bis 20 Zentimeter (in einem Meter Höhe). Ein ganzes wichtiges Kriterium ist auch die Anzahl der bisherigen Verpflanzungen, unsere Setzlinge wurden alle bereits dreimal beim Gärtner verpflanzt.

Warum ist das mit den Verpflanzungen so sichtig?

S.J. Erst durch die Verpflanzungen bilden die Wurzeln gute Feinstrukturen aus, also einen kräftigen Wurzelballen, als Basis für einen gesunden, robusten, langlebigen Baum.

Die Setzlinge sind da. Wie geht es dann weiter?

S.J. Bevor wir graben, checken wir alle aktuellen Leitungs- und Kabelpläne doppelt gründlich. Wie wichtig dieser vorbereitende Arbeitsschritt ist, zeigt eine Episode aus diesem Frühjahr: Da sind wir beim Ausbaggern überraschend auf eine 20 KV-Leitung gestoßen, die laut uns vorliegendem Plan eigentlich nicht an unserer Stelle verlaufen sollte. Aber wir hatten nicht den aller-aktuellsten Plan … und so harrten einige Stadtteile erst mal eine Weile ohne Strom aus …

Selbst ein „einfaches“ Setzloch muss wohl geplant sein … Und dann: Setzling rein, Loch zu, fertig?

S.J. Nicht ganz. Erstens muss der Setzling kräftig angegossen werden, das weiß ja eigentlich jeder. Nur die benötigte Menge dürfte manche in Erstaunen versetzen: 150 Liter Wasser oder auch mehr werden hier pro Gießgang abgeladen. Zweitens ziehen wir die Stämme unserer Neulinge gut an: Wir packen sie in Schilfrohrmatten ein, als Schutz vor allem vor Stammriss. Die Temperaturunterschiede können je nach Stammseite schon mal 20 Grad und mehr betragen! Die Schilfrohrmatten wirken ausgleichend, schützen zudem vor direkter Sonneneinstrahlung.

Was kostet ein neuer Baum, mit allem, was dazu gehört?

Pro Baum rechnen wir mit durchschnittlich 500 Euro Kosten. Dabei fallen die Anschaffungskosten weniger stark ins Gewicht als der Gießaufwand. Zwei, eher dreimal muss der Baum im ersten Jahr kräftig gewässert werden, bevor er in seinem neuen Umfeld ausreichend Wurzeln geschlagen hat und aus eigener Kraft überlebensfähig ist.

 

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